Was macht man so den ganzen Tag in einer psychosomatischen Klinik? Das war mir vor meinem Aufenthalt gar nicht bewusst und habe es einfach auf mich zukommen lassen. Im Nachfolgenden beschreibe ich den Alltag der Klinik, die ich besucht habe und wie ich ihn erlebt habe. Damit möchte ich deutlich machen, dass jeder Aufenthalt individuell ist. Was ich als gut empfunden habe könnten andere Patient*innen als unangenehm empfunden haben, oder anders herum. Jede*r macht seine/ihre eigenen Erfahrungen, und das ist auch gut so!
Die Depression hatte es mir schon eine sehr lange Zeit schwer gemacht meinen Alltag zuhause zu bestreiten. Haushaltspflichten sind liegen geblieben und Freizeit wurde fast ausschließlich mit Netflix und Schlafen verbracht. Durch meinen Job hatte ich immerhin eine Struktur in meiner Woche, doch auch die war in meiner Situation alles andere als gesund; Überstunden, müde arbeiten gehen und müde wieder heim kommen, keinerlei Ausgleich.
Die Wochen in der Klinik waren, dank des großen Therapieangebots, von Montagmorgen bis Freitagnachmittag durchstrukturiert und schaffte somit einen Rahmen, mit dem ich persönlich sehr gut arbeiten konnte. Wer jedoch denkt, dass so ein Klinikaufenthalt ganz entspannt ist, irrt sich. Die Tage beginnen um 07:30 mit dem Frühstück, auch Mittagessen (12:00) und Abendessen (17:00) gibt es immer zu festen Zeiten. Geregelte Mahlzeiten und die Nachtruhe ab 22:00 ermöglichen es den Patient*innen zurück zu gesünderen Gewohnheiten und Routinen zu finden. Anfangs empfand ich diese festen Zeiten eher als einengend, habe mich dennoch sehr schnell daran gewöhnen können (und noch heute knurrt mir der Magen ab 17:00). Jede Mahlzeit fand im Gemeinschaftsraum statt, dementsprechend war man schon sehr früh am Tag und mindestens noch zwei weitere Male täglich mit seinen Mitpatient*innen der kompletten Station "konfrontiert". Für Menschen mit sozialen Ängsten eine echte Herausforderung, aber auch für andere, wie mich, nicht immer gemütlich. Die sozialen Kontakte und der damit einhergehende Austausch entpuppten sich mit der Zeit allerdings zu etwas sehr Wertvollem für mich.
Die Vor- und Nachmittage (meist 08:00-16:00) waren mal mehr, mal weniger gefüllt mit den verschiedenen Therapien. Es gab Tage an denen ich von Termin zu Termin hastete, dafür aber an anderen Tagen viel Zeit zwischen den einzelnen Therapien zur Verfügung hatte für Kaffee, Spaziergänge, Me-Time, Schläfchen oder Austausch mit den Pflegekräften und Mitpatient*innen. Den Großteil der Therapien finden im Gruppen-Setting statt. In der Klinik, die ich besuchen durfte, sah das folgendermaßen aus: Auf der Station waren im durchschnitt 15-16 Patient*innen, diese sind dann in 2 Gruppen aufgeteilt. Die Aufteilung hierbei ist zufällig, jedenfalls soweit ich das beobachten konnte.
Diese Therapien wurden angeboten:
- Oberton (Entspannung zu stimulierenden Klängen durch Klangschalen oder ähnlichem)
- Progressive MuskelRelaxation (gezieltes Anspannen/Lockerlassen der Muskulatur)
- Emotionsregulierende Bewegungstherapie (Boxen)
- Nordic Walking und weitere Bewegungstherapien
- Musik- und Kunsttherapie
- Einzel- und Gruppengesprächstherapie
- Ergotherapie
- Achtsamkeitsübungen
- tiergestützte Therapie
Zu meinen Lieblingstherapien zählten die Musik- und Kunsttherapie. Ich hab es geliebt durch Farben und Klänge meine Emotionen auszudrücken und mich selbst so Woche für Woche besser kennenzulernen. Mein absolutes Highlight war die tiergestützte Therapie mit Pferden. Diese Tiere spielten schon immer eine große Rolle in meinem Leben und so hatte ich die Möglichkeit nach langer Zeit mal wieder Kontakt zu ihnen zu haben. Während meines Aufenthalts durfte ich zwei mal daran teilnehmen, dafür bin ich unendlich dankbar!
Dieser Beitrag war jetzt mal einer von der weniger emotionalen Sorte, sondern etwas mehr informativ, aber das muss ja auch mal sein :) Hoffe, er hilft dem ein oder anderen Menschen dort draußen..
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Kommentare
Liebe Jessi,
Du triffst alles auf den Punkt genau und es ist elementar wichtig, Menschen über psychische Erkrankungen aufzuklären !!!
Es ist eine Erkrankung wie jede andere und hat alle Aufmerksamkeit verdient. Menschen wie wir haben es verdient. Um in Zukunft nicht mehr stigmatisiert zu werden.
Ein bisschen mehr Respekt und Verständnis erfolgt nur, wenn Nichtbetroffene verstehen, wie es uns geht.
Denn ohne das kann man ihnen nicht verübeln das es schwer fällt .
Deshalb ist Dein Blog so unglaublich wertvoll, gerade auch für jüngere Menschen, die vielleicht in einer ähnlichen Situation sind und keine Anlaufstelle haben.
Danke für Deinen Mut und Deine Worte!!!!
Deine Christine