Genau das habe ich im Juni diesen Jahres erlebt. Montags stand ich noch im Labor, saß noch an meinem Schreibtisch, dann am Dienstag befand ich mich im Aufnahmebereich der psychosomatischen Klinik. Bitte nicht falsch verstehen, es lief alles sehr viel undramatischer ab, als es jetzt so scheinen mag. Ich bin nicht etwa von Montag auf Dienstag zusammengebrochen und musste als Notfall eingeliefert werden. Nein! Das Ganze war meine eigene Entscheidung, organisiert und in die Wege geleitet von mir selbst. Von mir, für mich. Also fangen wir mal Vorne an: Juni 2024
Die Depressionen waren mir ja nun schon bekannt, ich war ja auch schließlich schon in ambulanter Therapie seit 2 Jahren. Jeden Montag um 17 Uhr hatte ich das Glück einen der heiß begehrten Therapieplätze nutzen zu dürfen, um dort für 50 Minuten über mein geistiges Innenleben zu sprechen. Dort ging ich brav wöchentlich hin, nahm auch meine Tabletten pflichtbewusst jeden Morgen ein. Also warum um alles in der Welt ging es mir dann so beschissen? Ich machte doch schon alles Mögliche, dachte ich zumindest. Doch diese 50 Minuten einmal in der Woche schienen offenbar nicht ausreichend zu sein, denn in mir war so viel los. Das musste alles irgendwie raus. Es musste raus und sortiert und besprochen und in Ordnung gebracht werden. Allein geht das nicht. Weder meine Familie noch meinen Partner konnte ich mit all diesen Themen belasten, mal ganz davon abgesehen, dass ich sie völlig überfordert hätte. Meine Therapeutin öfter als 1 x pro Woche sehen empfand ich auch nicht als optimal, denn ich schien bei ihr nicht wirklich weiter zu kommen. Auch Therapeut:innen-Patient:innen-Beziehungen sind irgendwann mal am Ende. Also fasste ich mir ein Herz und rief in einer psychosomatischen Klinik an. Meine Therapeutin unterstützte mich in dem Vorhaben, was mich beruhigte, denn so konnte das Gefühl, ich würde die Lage maßlos übertreiben, besänftigt werden. Schon nach dem ersten Telefongespräch mit der Klinik fühlte ich eine gewissen Erleichterung, es war also der richtige Weg den ich im Begriff war zu gehen. Zum Erstgespräch Vorort begleitete mich mein Partner, auch das lief gut. Der Oberarzt versprach mir, dass man mir dort helfen könnte, und ich hatte ein gutes Bauchgefühl bei der Sache. In den folgenden Tagen kündigte ich eine längere Abwesenheit auf der Arbeit an und begann unfassbar ungeduldig auf den Anruf zu warten, der mir verraten würde, wann der Klinikaufenthalt startet. Das Universum hat wohl meine Ungeduld zur Kenntnis genommen und dann plötzlich alles Schlag auf Schlag passieren lassen.
Donnerstag 16.15 Uhr: der Anruf der Klinik. Dienstag Morgen: Start des Klinikaufenthaltes.
So kam es also dazu, dass ich aus der Firma direkt in die Klinik marschierte. Little did I know was dieser Aufenthalt für mich bedeuten würde.
In der ersten Jahreshälfte, bis hin zum Antritt der stationären Behandlung, lief mein Leben und ich nur noch auf Autopilot. Ich funktionierte.. noch. Aber ich habe mich leer gefühlt, und gleichzeitig war mein Kopf so voll. Ich hatte Schmerzen, keine Ahnung ob sie körperlich oder seelisch waren, aber sie schienen mich zu lähmen. Ich weinte viel, einfach aus Verzweiflung, weil andere Emotionen kannte ich nicht mehr. So wie mein Leben zu diesem Zeitpunkt aussah, so würde es jetzt für immer bleiben. Davon war ich einerseits völlig überzeugt, wusste aber auch, dass das ja wohl nicht sein kann. Das ist nicht fair. Mein Zustand war nicht fair gegenüber meinem Partner, meinen Eltern, Freund:innen... Jetzt denkt ihr sicher: "Moment mal Jessi, was ist denn mit dir? Ist der Zustand in dem du dich gerade befindest etwa fair für dich? Hast du so ein Leben denn verdient? Nein!" Aber an mich selbst habe ich nicht gedacht, die Kapazität hatte mein Hirn irgendwie nicht. Ich kümmerte mich also mit dem allerletzten Rest an Energie, die ich noch in mir fand, um diesen Klinikplatz. Um dort an mir zu arbeiten, um meinem Umfeld etwas Gutes zu tun. Mein Freund sollte eine Freundin haben, die lebensfroh und spontan ist, die mit ihm das Leben ihrer gemeinsamen Träume meistern würde. Meine Eltern sollten eine glückliche Tochter haben, so wie sie es verdient hatten. Dass in erster Linie ICH es verdient hatte, glücklich zu sein, das musste ich erst schmerzlich lernen, doch dazu ein anderes Mal mehr.
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Kommentare
Hallo Jessi,
ich finde es wahnsinnig mutig und hilfreich von Dir anderen Menschen mit ähnlichen Problemen, oder sogar Angehören von depressiven Menschen einen Einblick zu ermöglichen.
Mach weiter !!!!
Christiane
Hallo Jessi,
Ich kann mich noch sehr gut an unsere erste gemeinsame Gruppentherapie erinnern, da hast Du in der Befindlichkeitsrunde gesagt: „Heute Nacht war das erste Mal wo ich nicht geweint habe“. Das hat mich tief berührt.
Liebe Grüße
Michi
Liebe Jessi,
Du bist eine starke tolle Frau. Das zeigt auch dieser Blog. Ich glaub an dich!
Julia